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Stuttgart, 21. November 2010 |
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Was ist der Rosa Detlef?
Von Jochen Gewecke. Es gilt das gespochene Wort.
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Nominierte, liebe Freundinnen und Freunde,
Frau Bock schreibt uns per E-Mail: Herr Dr. Soundso kann bei der Preisverleihung "an Frau Rosa Detlef" nicht teilnehmen.
Es scheint da also noch einigen Klärungsbedarf zu geben, wer oder was es mit dem Rosa Detlef auf sich hat.
Die Güte, die Qualität einer Gesellschaft, wie anständig Menschen miteinander umgehen oder eben nicht, das zeigt sich darin, wie eine Gesellschaft mit ihren Minderheiten umgeht.
Wenn wir über Menschenrechte reden, denken wir oft, dass Menschenrechte etwas sind, das wir
a) wie selbstverständlich haben und
b) wenn sie nicht beachtet oder mit Füßen getreten werden, dann geschieht das in unterentwickelten Ländern irgendwo auf der Welt, nicht aber bei uns.
Das zeigt sich z.B. sehr schön daran, dass auf der Homepage einer mir bekannten Organisation die Menschenrechte unter der Überschrift "Internationales" auftauchen.
Da ist also bei uns in Deutschland alles in bester Ordnung.
Minderheiten werden anständig behandelt.
Ob sie nun fett sind, rote Haare haben oder Kinder alleine groß ziehen. Ob sie nun im Rollstuhl sitzen, das Gefühl haben, im falschen Körper zu leben oder sich mit einem Virus infiziert haben.
Wir sind tolerant.
Keinem käme es in den Sinn, den Mitschüler auf dem Schulhof als "schwule Sau" zu beschimpfen.
Niemand käme auf die Idee, die Kollegin am Arbeitsplatz zu mobben.
Ein Grußwort der Sozialministerin und des Ministerpräsidenten zum Christopher Street Day? Keine Frage!
Schön wär's!
Es ist nicht ganz so offensichtlich, aber wenn wir genauer hinschauen, merken wir ganz schnell, dass der anständige Umgang mit unseren Nächsten ein Thema ist.
Wir wissen eben nicht, welche Spitzenfußballer schwul sind. Es gibt ja auch keine schwulen Spitzenfußballer. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Oder, weil man die längste Zeit Spitzenfußballer gewesen ist, wenn man sich outet.
Das zumindest ist die Angst.
Wir wissen eben auch, dass es noch lange nicht für jede und jeden eine Ehre ist, mit einem Preis für Engagement in der schwul-lesbischen Szene ausgezeichnet zu werden. Und wir haben das in den letzten 36 Stunden schmerzlich erfahren. Ich kann das an dieser Stelle nicht näher erzählen, aber:
Gerade deshalb gibt es jetzt diesen Preis. Diese Auszeichnung.
Wenn wir die Idee für den Preis nicht schon im Februar gehabt hätten, gestern hätten wir ihn erfinden müssen.
Eine Auszeichnung für Mut. Ein Preis für Fleiß. Einen Preis für Zivilcourage. Für Hinstehen und Schaffen. Einen Preis für Für-andere-Einstehen. Und einen für Für-sich-selbst-Einstehen.
Das ist nämlich genauso wichtig: dass wir für uns selber einstehen, dass wir selbstbewußt sind und nicht das kleine Mäuschen in der Ecke spielen. Dass wir uns selbst wertschätzen und dass wir uns selbst lieben, so wie Gott uns schuf. Das ist eine DER wichtigsten Botschaften von Jesus, direkt an Euch persönlich gerichtet: im Doppelgebot der Liebe - dass wir uns selbst wertschätzen und dass wir uns selbst lieben, so wie Gott uns schuf.
Salz der Erde MCC Gemeinde Stuttgart stiftet den Rosa Detlef.
Rosa, weil es der Rosa Winkel war, der im sogenannten Dritten Reich den Schwulen angeheftet wurde, um sie zu stigmatisieren.
Der Rosa Detlef ist ein Preis für hervorragendes Engagement. Hervorragendes Engagement für Lesben. Für Schwule. Für Bisexuelle. Für Transgender. Also ein Preis für ganz normale Leute.
Frau muss nicht lesbisch sein, um diesen Preis zu erhalten. Man muss nicht schwul sein, um mit ihm ausgezeichnet zu werden.
Aber etwas ordentliches geleistet haben sollte man schon.
Ob nun über viele Jahre oder in einer besonderen Situation,
ob im Stuttgarter Kessel, ob nahe den Untiefen des Blautopfs oder in den verwunschenen Ecken von Schwarzwald, Odenwald oder Schwäbischer Alb - Zivilcourage und den Respekt vor der Würde unseres Nächsten brauchen wir überall.
Und das jeden Tag aufs Neue!
Über eintausend Postkarten haben wir drucken lassen, und wir haben sie verteilt: auf der Hocketse der AIDS-Hilfe während der CSD-Woche. In der Szene. Auf die schwarzen Bretter in den Supermärkten.
Über 50 der Karten kamen wieder zurück, versehen mit vielfältigen Vorschlägen, wer für die Verleihung des Rosa Detlef in Frage kommt. Danke an alle, die mitgemacht haben. Danke an alle, die sich den Kopf zerbrochen haben und ernsthaft Vorschläge gemacht haben. Ohne diese breite Menge an Vorschlägen hätten wir nicht diese großartige Legitimation, die dieser Preisverleihung zugrunde liegt!
Die Jurierung nahm eine Gruppe von Menschen vor, die sich in unserer Stuttgarter und Baden-Württembergischen Szene bestens auskennt. Ich bin sehr dankbar, dass Gabriele Müller-Trimbusch, Laura Halding-Hoppenheit und Pfarrer Dr. Axel Schwaigert diese ehrenvolle Arbeit auf sich genommen haben.
Gabriele Müller-Trimbusch war von 1990 bis 2010, also über 20 Jahre hinweg, die Sozialbürgermeisterin der Stadt Stuttgart. Sie kennt die Emanzipationsbewegung von Lesben und Schwulen aus ihrem eigenen Arbeitsbereich, und sie hat sie nachhaltig befördert.
Laura Halding-Hoppenheit ist vielen bekannt und besonders beliebt als Schulter, an die man sich anlehnen kann. Ganz gleich, ob es nun gerade um die Schwierigkeiten im Coming-Out geht, um eine Infektion mit dem HI-Virus oder schlichten Liebeskummer.
Pfarrer Dr. Axel Schwaigert hat vor über 10 Jahren die Stuttgarter MCC-Gemeinde Salz der Erde gegründet und kennt die Sorgen und Nöte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender gleichfalls aus eigener Anschauung und aus jahrzehntlanger Seelsorge.
Die Jury hat sich ihre Arbeit nicht leicht gemacht. Und sie hat in ihrer Weisheit beschlossen, den Preis gleich 2 Mal zu vergeben: einmal an eine Gruppe oder Institution. Und einmal an eine Einzelperson.
Die Laudatio auf unsere Preisträgerinnen oder Preisträger hält Prof. Dr. Herta Däubler-Gmelin. Wer könnte besser Menschen würdigen als diese Frau, die sich für Zivilcourage und Menschenrechte eben nicht nur in aller Welt einsetzt, sondern gerade auch hier bei uns in unser schönen schwäbischen Heimat? Wer könnte den Rosa Detlef besser überreichen als die ehemalige Bundesjustizministerin, die das Partnerschaftsgesetz als eine ihrer Herzensangelegenheiten in Rechtsform goß, und zwar sorgfältig und zügig nach dem Regierungswechsel, der auf eine Regierung folgte, bei der lesbisch und schwul Sein am liebsten einfach nicht vorkam. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf.
Das alles erklärt uns jetzt eine Frage nicht:
Warum hat der Rosa Detlef einen so bekloppten Namen?
Tja. Wir wollten schon, dass der Preis einen Namen bekommt,
den frau und man sich merken kann.
Einen, den die Menschen kapieren.
Einen, der in einer Zeitungsüberschrift funktioniert.
Und einen, über den die Menschen reden.
Ehren soll der Preis "hervorragendes Engagament in der Schwul/Lesbisch/Bi/Trans-Gemeinschaft", so steht's in der Ausschreibung.
Aber Schwul/Lesbisch/Bi/Trans-Gemeinschaft hat 33 Buchstaben,
das ist zwar politisch korrekt, passt aber in keine Zeitungsüberschrift. Also was tun?
Wir haben uns entschieden, dass ein Klischee zwar ein Klischee ist,
es aber umso mehr Spaß macht, mit ihm zu spielen.
Und wenn die Leute reden, ist doch schon viel erreicht!
Die IG CSD hat Erfahrung damit, wenn CSD-Mottos viel diskutiert werden. "Familie heute" und "ich glaube", sind dafür beste Beispiele. Und haben wir alles erreicht für die Schwul/Lesbisch/Bi/Trans-Gemeinschaft? Schön wär's!
Deshalb gibt es ihn ja, den Rosa Detlef!
Wenn die Gemüter sich erregen, kommt Bewegung in die Sache.
In diesem Sinne:
Möge der Rosa Detlef noch viel Erregung und Bewegung erzeugen!
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